Der Zustellung oder Notifizierung eines in Deutsch abgefassten Urteils oder Entscheids an die zentralen Dienststellen des Belgischen Staates, die in einer Gemeinde des zweisprachigen Gebietes Brüssel-Hauptstadt gelegen sind, ist keine französische oder niederländische Übersetzung beizufügen
Artikel 38 Absatz 5 des Gesetzes vom 15. Juni 1935 über den Sprachengebrauch in Gerichtsangelegenheiten schreibt vor, dass der Zustellung oder Notifizierung eines deutschsprachigen Urteils in einer Gemeinde des zweisprachigen Gebietes Brüssel-Hauptstadt eine französische und eine niederländische Übersetzung dieses Urteils beigefügt werden muss. Dies ist nach Absatz 8 derselben Bestimmung jedoch nicht erforderlich, wenn die Partei, der das Urteil zugestellt wird, den Gebrauch der deutschen Sprache akzeptiert hat. Daraus lässt sich ableiten, dass auch bei der Zustellung oder Notifizierung an den Belgischen Staat eine Übersetzung zu übermitteln ist, wenn er den Gebrauch der deutschen Sprache nicht akzeptiert hat. Der Arbeitsgerichtshof Lüttich fragt den Gerichtshof, ob dadurch nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung verstoßen wird, indem der Belgische Staat auf die gleiche Weise behandelt wird wie alle anderen Verfahrensparteien, wenn dieser auch die freie Wahl hat, für das Verfahren die deutsche Sprache zu akzeptieren oder nicht.
Dem Gerichtshof zufolge ist diese Regelung in der Auslegung, dass die zentralen Dienststellen des Belgischen Staates (jene Dienststellen, deren Tätigkeit sich auf das ganze Land erstreckt), die in einer Gemeinde des zweisprachigen Gebietes Brüssel-Hauptstadt gelegen sind, diese freie Wahl haben, verfassungswidrig. Unter Berücksichtigung ihrer Verpflichtung, in verschiedenen Fällen die deutsche Sprache zu verwenden, befinden sich diese Dienststellen des Belgischen Staates nämlich in einer Situation, die sich wesentlich von der Situation der anderen Verfahrensparteien unterscheidet. Wenn die Regelung aber dahin ausgelegt wird, dass unwiderlegbar vermutet wird, dass diese Dienststellen des Belgischen Staates für das Verfahren die deutsche Sprache akzeptiert haben, ist Artikel 38 Absatz 8 des Gesetzes vom 15. Juni 1935 mit der Verfassung vereinbar.