In seinen Entscheiden berücksichtigt der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung der internationalen hohen Rechtsprechungsorgane wie des Gerichtshofes der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die er häufig zitiert.
Seit seiner Gründung hat der Verfassungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union zahlreiche Vorabentscheidungsfragen gestellt. Eine Rubrik der Website des Gerichtshofes ist übrigens den dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegten Vorabentscheidungsfragen gewidmet. Beispielsweise hat der Verfassungsgerichtshof im Jahre 2019 dem Gerichtshof der Europäischen Union 17 Vorabentscheidungsfragen in vier verschiedenen Rechtssachen gestellt.
Darüber hinaus ist der Verfassungsgerichtshof Mitglied verschiedener Netzwerke oder Vereinigungen, die ausländische – europäische bzw. internationale – oberste Rechtsprechungsorgane erfassen.
Der Gerichtshof ist seit 1990 Mitglied der Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte (CECC). Diese vereinigt etwa vierzig europäische Verfassungsgerichte oder ähnliche Institutionen, die mit der Verfassungsmäßigkeitsprüfung der Normen beauftragt sind. Es werden in regelmäßigen Abständen Kongresse organisiert, an denen sich der Verfassungsgerichtshof systematisch durch die Übermittlung eines auf Belgien bezogenen Berichts beteiligt. 2002 hat der Gerichtshof den XII. Kongress der CECC zum Thema « Die Beziehungen zwischen den Verfassungsgerichten und den übrigen einzelstaatlichen Rechtsprechungsorganen, einschließlich der diesbezüglichen Interferenz des Handelns der europäischen Rechtsprechungsorgane » organisiert.
Nähere Informationen unter www.cecc-general.org
Der Gerichtshof ist auch im Gemeinsamen Rat für Verfassungsgerichtsbarkeit (auf Französisch: Conseil mixte de justice constitutionnelle) vertreten. Der Gemeinsame Rat, der 1990 von der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (sog. Venedig-Kommission), welche ein Beratungsorgan des Europarates ist, gegründet wurde, hat zum Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsgerichten und den Rechtsprechungsorganen mit gleichwertigen Befugnissen zu organisieren. Dieser Rat setzt sich aus Sachverständigen der Venedig-Kommission und Verbindungspersonen, die von den vorerwähnten Rechtsprechungsorganen bestimmt werden, zusammen. Seine Tätigkeiten beziehen sich nicht nur auf die Mitgliedstaaten des Europarates, sondern auch auf etwa zwanzig andere Staaten, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Gerichtshof der Europäischen Union und den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Neben dem Informationsaustausch und der regelmäßigen Organisation von Konferenzen kommt diese Zusammenarbeit in der Veröffentlichung eines Bulletins der Verfassungsrechtsprechung (auf Französisch: Bulletin de jurisprudence constitutionnelle) sowie in einer öffentlichen Datenbank, die Zusammenfassungen von Entscheidungen der betreffenden Rechtsprechungsorgane enthält, zum Ausdruck.
Nähere Informationen unter venice.coe.int
Der Gerichtshof ist Mitglied der Vereinigung französischsprachiger Verfassungsgerichte, und zwar der « Association des Cours constitutionnelles francophones (ACCF) », vormals « Association des cours constitutionnelles ayant en partage l'usage du français (ACCPUF) » genannt, seit ihrer Gründung im Jahre 1997. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk, das etwa fünfzig Verfassungsgerichte der Staaten, die Mitglied der « Organisation internationale de la francophonie » sind, erfasst. Die ACCF befasst sich mit der regelmäßigen Organisation von Sitzungen unter ihren Mitgliedern mit dem Ziel, den Gedanken‑ und Erfahrungsaustausch zu fördern. Sie organisiert ebenfalls juristische und technische Ausbildungen und Formen der Zusammenarbeit.
Nähere Informationen unter accf-francophonie.org
Der Gerichtshof beteiligt sich an der Weltkonferenz der Verfassungsgerichtsbarkeit (auf Englisch: World Conference on Constitutional Justice) (WCCJ), die etwa hundert Verfassungsgerichte und ‑räte sowie oberste Gerichtshöfe aus der ganzen Welt vereinigt. Die WCCJ fördert die Verfassungsgerichtsbarkeit als wesentliches Element der Demokratie, des Menschenrechtsschutzes und des Rechtsstaats. Sie hat hauptsächlich zum Ziel, auf Weltebene den Dialog zwischen den Verfassungsrichtern zu erleichtern, insbesondere durch die Veranstaltung regelmäßiger Kongresse, die Teilnahme an regionalen Konferenzen und Seminaren und den Austausch von Erfahrungen und Rechtsprechung.
Nähere Informationen unter venice.coe.int
Der Gerichtshof ist Mitglied des Netzwerks der obersten Gerichtshöfe (auf Englisch:_ Superior Courts Network _) (SCN), das 2015 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) gegründet wurde, um den Informationsaustausch zwischen den obersten Rechtsprechungsorganen der Mitgliedstaaten des Europarates zu ermöglichen. Dieses Netzwerk umfasst etwa 90 Rechtsprechungsorgane aus 40 verschiedenen Staaten. Auf Antrag des EuGHMR übermitteln die angeschlossenen Rechtsprechungsorgane Beiträge zu spezifischen Themen des innerstaatlichen Rechts, im Allgemeinen im Rahmen von Rechtssachen, die bei der Großen Kammer des EuGHMR anhängig sind. Die angeschlossenen Rechtsprechungsorgane können den EuGHMR auch zu einer besonderen Problematik befragen. Der EuGHMR liefert den angeschlossenen Rechtsprechungsorganens ebenfalls Forschungs‑ oder Informationsberichte. Die Kontaktpersonen der verschiedenen Rechtsprechungsorgane treffen sich jährlich in den Räumen des EuGHMR in Straßburg.
Nähere Informationen unter www.echr.coe.int
Schließlich beteiligt sich der Gerichtshof am Justiziellen Netzwerk der Europäischen Union (JNEU) (auf Englisch: Judicial Network of the European Union) seit dessen Gründung im Jahre 2018. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk für Informationsaustausch und gerichtliche Zusammenarbeit, das etwa sechzig einzelstaatliche Verfassungsgerichte und oberste Rechtsprechungsorgane erfasst. Das JNEU nimmt in der Form einer Website Gestalt an, die vom Gerichtshof der Europäischen Union verwaltet wird und ausschließlich für die angeschlossenen Rechtsprechungsorgane zugänglich ist. Diese Website wird vom Gerichtshof der Europäischen Union gespeist, aber auch von den einzelstaatlichen Rechtsprechungsorganen, die Forschungsberichte oder Rechtsprechung, die für die Union von Bedeutung sind, herunterladen können. Ein Teil des JNEU ist für die breite Öffentlichkeit auf der Website des Gerichtshofes der Europäischen Union zugänglich.
Nähere Informationen unter curia.europa.eu